Inhalt

 

Vier weitere Stolpersteine für Kleinmachnow

Seit 2005 beteiligt sich auch Kleinmachnow an der Verlegung von Stolpersteinen für Opfer des Nationalsozialismus. Bislang wurden 23 Steine verlegt. Am 9. Oktober 2023 folgten vier weitere Steine für Menschen, deren Schicksale die Stolpersteingruppe Kleinmachnow ebenfalls genau recherchiert hat.

Sie erlebten Berufsverbote, verordnete Zwangsarbeit, Kürzungen der Nahrungsmittelrationen sowie massive Eingriffe in ihre Vermögens- und Freiheitsrechte – ungeachtet weiterer alltäglicherer Formen der Diskriminierung. Und über all diesen Menschen schwebte während einer Zeitspanne von mehr als zehn Jahren täglich das Damoklesschwert der Verhaftung sowie später der Deportation und Ermordung. In Auschwitz, im Warschauer Ghetto, in Theresienstadt oder Riga enden tatsächlich die Mehrzahl dieser Biografien.

An vier dieser Schicksale erinnert nun ebenfalls jeweils ein Stolperstein. Die Verlegung wurde von Gunter Demnig persönlich ausgeführt und erfolgte in Anwesenheit von Familienangehörigen, soweit diese zu ermitteln waren. Cordula Persch und Monika Hagen von der Aktionsgruppe Stolpersteine berichteten aus dem Leben der vier Menschen, derer nun gedacht wurde, legten jeweils eine Rose nieder und entzündeten ein Licht für sie.

  • Dr. Herbert Neufeld (Im Tal 15a)

Der 1902 geborene Jurist jüdischer Abstammung zog mit seiner Frau 1938 von Berlin nach Kleinmachnow. Zwar war er 1922 zum katholischen Glauben konvertiert, doch schützt ihn das nicht vor den nationalsozialistischen Übergriffen auf sich und sein Vermögen. Sein Versuch nach Brasilien auszuwandern, endete aufgrund vieler Hindernisse, die ihm in den Weg gelegt wurden, bereits in den Niederlanden. 1942 wurde er mit 234 weiteren katholischen Juden schließlich dort interniert. 1944 folgte die Deportation nach Auschwitz, wo er vermutlich ermordet wurde.

  • Fritz Feodor Rosenbaum (Kiefernweg 27)

Der Wirtschafts- und Steuerberater wurde 1894 in Berlin geboren. Bis zum Verbot linker Parteien 1933 engagierte sich der Pazifist in der USPD, dann der SPD. 1933 zogen er und seine arische Frau nach Kleinmachnow. Das dort erworbene Grundstück mussten die Rosenbaums jedoch schon 1938 verkaufen. 1941 war das kinderlose Ehepaar als Bewohner des sogenannten „Judenhauses“, Auf der Drift 12, verzeichnet. Fritz Rosenbaum überlebte trotz aller Widrigkeiten die Zeit des Nationalsozialismus in Kleinmachnow. Nach dem Krieg erhielt er sein Grundstück zurück und war sogar 1950 kurzzeitig Bürgermeister im Ort.  
Weil er sich 1952 dem Protest gegen die Schließung des Grenzübergangs Düppel anschloss, wurde er verhaftet und mit weiteren Angeklagten in einem Schauprozess verurteilt. Nach der Haftentlassung 1956 flüchtete er nach West-Berlin, wo er 1958 verstarb.

  • Elisabeth Kretschmer und Dr. Fritz Kretschmer (Wolfswerder 9a)

Das Ehepaar (er 1889, sie 1893 geboren) lebte zunächst in Grunewald. Fritz Kretschmer leitete zunächst das Bankhaus seines Schwiegervaters, erwarb nach der Weltwirtschaftskrise aber auch die Qualifikation als Französisch-Dolmetscher. 1936 zogen sie ins neu gebaute Haus nach Kleinmachnow. Als alleinige Eigentümerin war Elisabeth Kretzschmer eingetragen. Wegen ihrer jüdischen Herkunft konnte des Ehepaars ab 1938 nicht mehr frei über Vermögen und Grundstück verfügen und entschloss sich, Deutschland zu verlassen. Brasilien war auch hier das Wunschziel, doch war das wohl nicht mehr finanzierbar. In Shanghai fanden die Eheleute dann Aufnahme. 1948 ließen sie sich in San Francisco nieder und wurden 1954 eingebürgert. Fritz Kretzschmer starb dort 1967, seine Frau Elisabeth lebte noch bis 1984.


Dass die Zahl der Verfolgten auch in Kleinmachnow mit Sicherheit höher war, als die bereits recherchierten Fälle, muss allen bewusst sein. Denn auch diejenigen, die zur Emigration gezwungen wurden, sich also auf die Flucht begeben mussten, zählen zu den Opfern des Nationalsozialismus. Nach häufig abenteuerlicher Reise fanden sie Aufnahme in Shanghai, Südamerika oder Australien.